ZAHLUNGSSTOPP in KÄRNTEN/KOROŠKA
Kronenzeitung, 6.5.2015
ORF: http://oe1.orf.at/artikel/406072
Kleine Zeitung, Kultur, 6.5.2015
Jetzt geht die Kultur auf die Straße
In der Kärntner Kulturszene regt sich Widerstand gegen den aktuellen Förderstopp des Landes, der bereits gravierende Auswirkungen erkennen lässt. Ein alarmierender Überblick.
Junge Demonstranten bei der gestrigen Kundgebung rund um das Klagenfurter Wörtherseemandl – TRAUSSNIG
„Kärnten leih leih“: Protest gegen das „Aushungern“ der Kulturszene – TRAUSSNIG
Am Montag forderten in einer Petition der IG Autoren mehr als 100 Kulturschaffende aus allen österreichischen Bundesländern – von Peter Turrini über Robert Schindel bis Franzobel – die österreichische Bundesregierung auf, „umgehend zu einer solidarischen Lösung mit Kärnten zu kommen und darüber hinaus auf ,weitere peinliche Demütigungsrituale‘ zu verzichten“. Tags darauf wurden die von den Finanzproblemen Betroffenen selbst initiativ und demonstrierten in der Klagenfurter Innenstadt gegen das „Aushungern“ der freien Kulturszene. Mit Sprüchen wie „Es wird (B)enger“, „Kärnten leih leih“ oder „Ich bin ein Zukunftsfond“ machten die von der IG KIKK zusammengetrommelten Kulturarbeiter ihrem Ärger Luft und widersprachen unter anderem einer Aussage von Kulturlandesrat Christian Benger (ÖVP), wonach der Zahlungsstopp kein Streichen von Subventionen bedeute, sondern nur eine Verzögerung sei. IG KIKK-Sprecherin Angelika Hödl: „Es haben bereits genügend Kulturschaffende definitive Absagen erhalten, das sind Streichungen.“
Die durch die Hypo verursachten Finanzprobleme haben ungeachtet solcher Auffassungsunterschiede bereits gravierende Auswirkungen im Kulturbereich. Als Erstes traf es das sanierungsbedürftige Landesmuseum. Nachdem sich Landeskulturreferent Wolfgang Waldner im Frühjahr 2014 auf eine großzügige Lösung mit Zentraldepot in Maria Saal festgelegt hatte, kam ein Jahr später die Kehrtwende. Anstelle von rund 30 Millionen Euro wird es für das „Landesmuseum Neu“ bestenfalls noch acht bis neun Millionen Euro geben.
Am 30. März wurde schließlich von der Finanzabteilung des Landes ein Auszahlungsstopp für Ermessensausgaben verhängt. Erstes Opfer: die von Waldner initiierte „Transformale“, deren Budget um 100.000 Euro reduziert wurde. Auch die beiden Kuratoren wurden von Landesrat Benger verabschiedet. Seine Sprecherin Gerlind Robitsch gab dabei die Warnung aus, dass vor allem „jene Vereine und Kulturinitiativen Probleme bekommen könnten, die noch keine Förderzusage für das Jahr 2015 bekommen haben“.
Davon betroffen ist etwa das Humorfestival Velden, das aber trotz der fehlenden Landesmittel von 1. bis 4. Oktober über die Bühne gehen wird. Der Jazz-Club Kammerlichtspiele Klagenfurt hat dagegen bereits alle Konzerte, die nicht kostendeckend sind, abgesagt. Das Pfingstfestival Feldkirchen fällt aufgrund der prekären finanziellen Situation heuer gänzlich ins Wasser. Das Klagenfurter „stereo“, seit zehn Jahren Schauplatz exquisiter Konzerte, muss massiv abspecken. „Mit sofortiger Wirkung haben wir unsere kompletten Jubiläumskulturveranstaltungen und Nachwuchsförderungsprojekte für 2015 absagen müssen“, teilten die „stereo“-Chefs Marina-Anna und Marco Virgolini gestern mit. „Auf unbestimmte Zeit verschoben“ wurde auch der Bandcontest „Local Heroes“, der seit einem Jahrzehnt stattfindet.
Hart trifft es auch die Theaterszene: Wie berichtet, muss das klagenfurter ensemble mit Juni seine Theaterproduktionen stoppen und vier Mitarbeiter kündigen. Verschärfend kommt für die Bühne hinzu, dass es aufgrund der Gemeinderatswahlen noch immer kein Klagenfurter Kulturbudget gibt. Ohne Förderzusage sieht auch Maximilian Achatz sämtliche Produktionen seines „Theater WaltZwerk“ gefährdet. „Keine Ahnung, wie es konkret ausschaut“, hat Jörg Schlaminger in puncto Landesförderung für die Südkärntner Sommerspiele Eberndorf. Die Saison im Stiftshof wird aber so oder so am 2. Juli mit der Nestroy-Posse „Das Mädl aus der Vorstadt“ beginnen. Im Theater auf der Heunburg sind „Die Plattfische“ von Ronald Pries (16. Juli bis 30. August) angekündigt. Ob Geld fließt oder nicht, die Tragikomödie (Thema: Sucht und ihre Auswirkungen auf die Familie) soll laut Pries trotzdem ihre Uraufführung erleben. Sparen sei dennoch angesagt.
Im Regen steht derzeit auch das Ensemble Porcia in Spittal/Drau. Der Dreijahresvertrag für den mit 20.000 Besuchern größten Kulturveranstalter im Sommer ist nämlich auch noch nicht unterschrieben. Allein im Jahr 2015 geht es um 190.000 Euro. Das Angebot zurückzufahren, ist für Neo-Intendantin Angelica Ladurner aber keine Option: „Unser Programm ist seit Monaten im Internet abrufbar und auch schon gut verkauft.“
Auf jeden Fall leiser treten muss der Kulturkeller Step in Völkermarkt, der immer wieder Jazzstars nach Unterkärnten bringt: „Wir fahren bis zum Herbst ein Notprogramm“, sagt Zoom-Obmann Günther Karner.
Auch Einrichtungen des Landes selbst sind vom finanziellen Engpass betroffen. So hat etwa das Museum Moderner Kunst Kärnten die beiden Ausstellungen „fokus sammlung. STILLLEBEN“ und „unheimlich schön. Stillleben heute“, ursprünglich geplant von 18. Juni bis 11. Oktober, abgesagt. Auch auf die Juni/Juli-Ausgabe der Landeskulturzeitschrift Die Brücke wurde verzichtet. Dazu kommt die Streichung der 10.000 Euro Landesförderung für den Bachmann-Preis. Das Wettlesen ist dadurch allerdings nicht gefährdet.
In etlichen Aussendungen forderten die Interessenvertretungen zuletzt, dass nicht „mit einem Mal zerstört wird, was über lange Jahre aufgebaut wurde“ (so ein Statement aus der Kärntner Tanzszene). Die IG Autorinnen Autoren Kärnten verlangte indes unter Verweis auf den mit 15.000 Euro dotierten Gert-Jonke-Preis das Aussetzen sämtlicher Kulturpreise, solange die Landeregierung „nicht in der Lage ist, Mindestsubventionen zu verteilen“.
Kulturreferent Benger zeigte gestern bei einem einstündigen Gespräch mit Vertretern der IG KIKK „Verständnis für den breit angelegten Aufschrei der Freien Szene“, gab aber zu bedenken, dass „die Schuldenlast Kärntens sowie die Abwicklung der Hypo“ ihren „Tribut“ forderten. Überraschende Ansage des Landesrats: Es dürfe „keine Kürzungen im Kulturbudget geben“. UL/EH/MF
Kärntner Finanzloch: Auch 10.000 Euro für Bachmann-Preis eingefroren
Literaturwettbewerb laut ORF-Landesdirektorin aber nicht gefährdet
Klagenfurt/Wien – Der Liquiditätsengpass in Kärnten macht auch vor dem renommierten Bachmann-Preis nicht Halt. Das Land hat 10.000 Euro Zuschuss zugesagt. Weil die Zusage nur mündlich vorliegt, fällt die Subvention wie alle anderen nicht vertraglich fixierten Ausgaben unter den Zahlungsstopp des Landes, wie eine Sprecherin von Kulturlandesrat Christian Benger auf Anfrage am Mittwoch sagte.
ORF-Landesdirektorin Karin Bernhard hat vom Land bezüglich der finanziellen Unterstützung noch nichts gehört, wie sie am Mittwoch sagte. „Natürlich ist es schade, weil wir jeden Euro brauchen, aber die Durchführung des Literaturwettbewerbs ist durch einen Zahlungsausfall des Landes nicht gefährdet“, meinte sie zu den Auswirkungen des „Einfrierens“ der Subvention. Das Land hatte sich erst vor zwei Jahren nach langer Pause wieder dazu entschlossen, den Bachmann-Preis zu unterstützen, einen schriftlichen Fördervertrag gibt es allerdings nicht.
Weitere Verhandlungsrunde
Ein prinzipielles Bekenntnis zur Förderung der Tage der deutschsprachigen Literatur, in deren Rahmen der Preis verliehen wird, gebe es aber sehr wohl, so die Benger-Sprecherin. Das Geld werde somit fließen, wenn die weitere Finanzierung des Landes durch die Bundesfinanzierungagentur (ÖBFA) unter Dach und Fach ist. Kärnten benötigt allein für das laufende Jahr 343 Millionen Euro. Für Donnerstag ist eine weitere Verhandlungsrunde in Klagenfurt anberaumt.
Zu Wort gemeldet haben sich am Mittwoch auch Kärntner Literaturvereinigungen. In einer gemeinsamen Aussendung forderten sie eine Ausnahme vom Zahlungsstopp für ihre Zunft. Es geht um das Ausbleiben von Förderungen in Höhe von jeweils 1.000 bis 3.000 Euro, die in den vergangenen Jahren gewährt worden sind. Die „IG Autorinnen Autoren Kärnten“ forderte indes – unter Verweis auf den kürzlich vergebenen, mit 15.000 Euro dotierten Gert-Jonke-Preis – das Aussetzen sämtlicher Kulturpreise, solange die Regierung „nicht in der Lage ist, Mindestsubventionen zu verteilen“. (APA, 29.4.2015)