Klagenfurter Gruppe – Lesung – 19.15

Datum: Mi, 23.03.2011
Veranstalter: Klagenfurter Gruppe - Es liest Simon Fanta
Ort: raj, Badgasse 7, 9020 Klagenfurt - 1. Stock

Die Klagenfurter Gruppe lädt ein zu Lesungen an jedem 2. und 4. Mittwoch des Monats aus neuen, unveröffentlichten Texten.

Die Veranstaltung beginnt um 19.15 Uhr im ersten Stock des raj““s. Es lesen Natalie Maurer und Florian Schauer!

NATALIE MAURER

„Ich
ist ein anderer“ – wir wissen es nur zu genau: Wollen wir von Ich
sprechen, wollen wir also berichten, was ICH, sprich WIR SELBST fühlen,
denken, begreifen, machen, so stinkt es stets nach SELBSTvergewisserung,
will heißen: Keiner von uns weiß, wer ICH ist. Und doch versuchen wir,
uns als ICH zu präsentieren, um für uns und andere weniger als Rätsel zu erscheinen.

Natalie
Maurer hingegen nimmt sich eines ICH-Rätsels an, verleiht dem ICH eine
eigene Person, separate Eigenschaften und gibt den Rest eines möglichen
Charakters an DU, ER, SIE und ES weiter.

Wertet man ihr ICH
psychoanalytisch, so treffen wir tatsächlich auf Freuds ICH, einem ICH,
das sich selbst ausgeliefert ist, seinen Zwängen, der Gesellschaft, den
Anforderungen, sich auch davon zu befreien weiß, wenngleich auch nur für
eine bestimmte Zeit. Teile des ES und des ÜBER-ICH finden sich darin –
ein Resultat, das selbst bei einschlägiger Freud-Lektüre schnell zu
begreifen ist: Freud ist der Ansicht, dass Das ICH durch ÜBER-ICH und ES
entsteht.

Indem Maurers DU nachdenkt, entspricht es dem
ÜBER-ICH, doch lässt es sich wiederum nicht vollständig in
gesellschaftliche Normen pressen. Nur allzu gerne bricht es aus, begibt
sich auf Kurztrips am Motorrad – „You belong to someone else, and I do
too
It““s just crazy bein““ here with you
As a bad motorcycle with the devil in the seat
Going
ninety miles an hour down a dead end street”: Auf den ersten Anschein
hin, verhält es sich bei Maurers angedeuteten Motorradtrips nicht
annähernd so tragisch wie in der zitierten Metapher aus Bob Dylan’s Song
„Ninety Miles An Hour (Down A Dead End Street)”, doch denkt man den
Text weiter, so errät man einen ständigen Konflikt des DU’s mit ICH, ER,
SIE und ES: Das DU geht auf Sinnsuche, steigt aus, kehrt aber wieder
zurück, dorthin wo die Zwänge schon sehnsüchtig der Rückkehr
entgegensehen. Da hilft es auch nichts, wenn Maurer einwirft, dass DU
nicht gerne allzu lange von Zuhause weg ist, muss es doch immer wieder
von Neuem die Kurztrips starten, ohne jemals anzukommen. Diese
Ausbruchversuche entsprechen pauschal gesehen einem triebgesteuerten ES.

ER
könnte als Selbstvergewisserung fungieren, doch sieht man hierbei von
Freud ab, so erlaubt sich die Autorin hier wohl, ihre männliche Seite
offenzulegen: unberechenbar, egozentrisch, aber gutmütig: Ein crazy Typ,
aber völlig harmlos. Ebenso ist SIE als pure Weiblichkeitsmetapher
einer modernen Frau zu verstehen.

Das ES ist, was es auch nach Freud ist: Trieb.

So
viel zu Onkel Freud, doch verleugnen solcherlei Stereotypen jegliche
Individualität, können beispielsweise doch auch ÜBER-ICH und ES
gleichermaßen als Reflexion und Normbruch verstanden werden, denn jeder
der ausbricht handelt zum einen seinen Trieben gemäß, Reflexion ist
dabei aber niemals ausgeschlossen, denken wir doch dabei nur an die
unzähligen Künstlerexistenzen.