Was vom Wald im Stadion geblieben ist | Ein Jahr nach dem Stadionwald
New York Times, CNN, Guardian, Spiegel. Internationale Kapazunder berichteten nicht zu knapp. In mehr als 80 Ländern thematisierten Medien das Projekt. Leonardo DiCaprio machte auf Instagram Werbung für „For Forest“. Vor einem Jahr wurde der Wald im Klagenfurter Wörthersee-Stadion eröffnet, in sieben Wochen wurden laut Angaben der Initiatoren 200.237 Besucher gezählt. „Schwachsinn“, „Geldverschwendung“, „ein Stadion ist für Fußball da“, unkten die einen. „Ein faszinierender Anblick“, „ein Projekt mit internationaler Strahlkraft“, „passt perfekt zur Diskussion um den Klimawandel“, urteilten die anderen. Das surreale Bild der 299 Bäume im Stadion ging tatsächlich um die Welt.
Nachhaltig profitiert Klagenfurt jedoch nicht davon. „Die Leute werden nicht vorbeigehen und darüber reden oder sich ärgern, nicht einmal das Minimum an Diskurs wird es geben. In einem Jahr redet niemand mehr über ,For Forest‘, prophezeite die Kulturschaffende Angelika Hödl, eine der prononciertesten Kritikerinnen des Projektes schon im Vorjahr. Sie sollte Recht behalten. Nicht nur, weil auf der Webseite von visitklagenfurt.at keine Spur mehr von „For Forest“ ist.
Das Versprechen, die Bäume zur Gänze als „Waldskulptur“ in Klagenfurt zu erhalten, blieb unerfüllt. Initiator Klaus Littmann und sein Geschäftspartner Herbert Waldner (Riedergarten Immobilien) zerwarfen sich noch vor Projektbeginn und trafen sich später sogar vor Gericht. Waldner, Eigentümer der Bäume, konnte sich mit der Stadt Klagenfurt nicht auf ein Grundstück für ein „Campus-Projekt“ inklusive Wald einigen. So wurde der Großteil der Bäume in eine Gärtnerei nach Tulln gebracht. Man arbeite intensiv an der Entwicklung des „For Forest Village Niederösterreich“, heißt es.
Waldner fühlt sich schlecht behandelt und negativ bewertet. „Dabei wäre das ohne mich nicht realisiert worden“, betont der umtriebige Immobilienunternehmer. Fast fünf Millionen Euro flossen letztlich in das Projekt. Littmann hatte die Kosten bei der Erstpräsentation 2017 noch mit 1,5 Millionen taxiert. „Etwas Vergleichbares wird es in Kärnten so bald nicht mehr geben“, sagt Waldner. „Natürlich tut es mir leid, dass wir unsere weiteren Ideen nicht in Kärnten verwirklichen konnten, aber vielleicht war die Zeit noch nicht reif.“ Mit der Initiative „For Forest – The Voice for Trees“ werde die Idee weitergetragen. So unterstütze man die Austrian World Summit am 17. September in Wien.
„Meine ursprünglichen Pläne zur Nachnutzung sind bekannt“, sagt Littmann dazu. „Ob die Stadt Klagenfurt aus eigener Initiative zur Erinnerung etwas beiträgt, ist mir nicht bekannt.“ Er sei froh, dass es gelungen sei, „For Forest“ zu realisieren. „Ich freue mich, dass das Interesse auch ein Jahr danach immer noch groß ist und darüber international berichtet wird“, sagt Littmann zur Kleinen Zeitung. Im Frühjahr 2021 wird er in seiner Heimatstadt Basel ein „Kunst- und Ausstellungsprojekt“ umsetzen, „das die temporäre Kunstintervention im Wörthersee-Stadion als Ausgangspunkt nimmt und mit Künstler-Stellungnahmen und Aktionen erweitert“ werde.
Ein Teil der Bäume ist noch in Klagenfurt: Knapp 100 wachsen nahe des Lakeside Parks kaum beachtet vor sich hin. Sehr unwahrscheinlich, dass sich jemals ein Tourist dorthin verirrt. Dass der Wald nicht erhalten blieb, bezeichnet Bürgermeisterin Maria-Luise Mathiaschitz (SPÖ) als „Wermutstropfen“. Aber: „Der Eigentümer entscheidet.“ Man habe „mehrere Grundstücke angeboten“, konnte aber die geforderte Bebauungsdichte nicht ermöglichen. Trotzdem blickt sie „stolz“ auf „For Forest“ zurück. „Es ist gelungen, Klagenfurt international sichtbar zu machen. Noch nie waren im September so viele Leute hier“, sagt Mathiaschitz und betont erneut, dass „kein Steuergeld in das Projekt geflossen“ sei. 45.000 Euro hatte Littmann als Kurator begleitender Ausstellungen erhalten. Das Stadion kostenlos zur Verfügung zu stellen, sei jedenfalls richtig gewesen, so die Bürgermeisterin. Mehr als 350.000 Euro wurden durch „For Forest“ lukriert, bestätigt Gert Unterköfler, Geschäftsführer der Sportpark Klagenfurt GmbH.
Vizebürgermeister Wolfgang Germ (FPÖ) sieht hingegen noch viel Aufklärungsbedarf: „Ich hoffe, dass der einstimmig beauftragte Kontrollamtsbericht endlich Transparenz bringt.“ Von Nachhaltigkeit könne keine Rede sein. „Vor einem Jahr hat man das Rathaus mit ,For Forest‘ zugepflastert. Jetzt ist nicht einmal mehr im Büro der Bürgermeisterin ein Bild davon“, sagt Germ. „Und die Bäume tümpeln traurig vor sich hin.“
Geblieben ist die „Villa For Forest“ am Viktringer Ring. „Die stellt uns Herbert Waldner nach wie vor kostenlos zur Verfügung und lässt uns bei der Programmgestaltung völlig freie Hand“, sagt Raimund Spöck, Obmann des Vereins Innenhofkultur. „Aber dass es den Wald aus dem Stadion nicht als Denkmal gibt, tut mir wahnsinnig leid.“ Trotz aller Querelen sollte man zumindest eine Skulptur im öffentlichen Raum schaffen, die an das Projekt erinnert, sagt Spöck. „Wenn Stadt, Land, Littmann und Waldner friktionslos zusammengearbeitet hätten, wäre das die totale Rakete geworden“, ist Spöck überzeugt. „Jetzt ist kein Wald mehr da. Und es ist die schlechte Nachrede da.“