«Zitatnost – ein Fußnotendrama»

Datum: Do, 12.08.2004
Veranstalter: Verein Innenhofkultur
Ort: cik@künstlerhaus.klagenfurt

Boris Randzio und Felix Strasser
«Zitatnost – ein Fußnotendrama»
31 Autoren in einem Akt (exkl. anonymous)

>> Das Programm

«Ich habe eine Regel: Jedes Gespräch aufzugreifen. Wenn man nicht weiß, worum es sich dreht, ist es besonders interessant.»
(Ivan Schilin in Arkadij u. Boris Strugackij: Die gierigen Dinge des Jahrhunderts)

«Zitatnost’» (russ. Zitathaftigkeit) = der Ausdruck von Ideen und Stimmungen durch Verweis auf Quell-Literatur, anstatt sie neu zu beschreiben. Sie spielt besonders in der russischen Literatur eine zentrale Rolle.
In «Zitatnost – ein Fußnotendrama» wird die Assoziationskette zweier aufmerksamer Leser wiedergegeben. Durch die übergangslose Kompilation von Weltliteratur, Gebrauchstexten und anarchistischem Klamauk verschwimmen die scharfen Grenzen der Stilistik. Dostoevskijs «Schuld und Sühne» und etwa der Schnittbogen für den Sommerrock in der «Burda» werden völlig gleichberechtigt behandelt.
Boris Randzio und Felix Strasser bringen unter Verwendung einer Leiter und einer Nussbaumtorte in 90 Minuten Dialoge, Monologe und Miniaturen von Elias Canetti, Daniil Charms, Fjodor Dostoevskij, Olga u. Adolf Hess, Arkadij u. Boris Strugackij, Karl Valentin, Robert Walser und vielen anderen sowie anonyme Kreuzworträtsel, Kochrezepte, Schnittmuster und Leserbriefe. Den Roten Faden bildet die gleichmäßige Abwechslung zwischen ernsten und Komödien-Stoffen, wobei es dem Publikum freisteht, die Akteure entweder als zwei Komödianten, die sich an Dostoevskij versuchen oder als zwei klassische Humanisten zu betrachten, die ihre Lehre mit Klamauk durchsetzen.
Den Anteil an Belletristik bilden hauptsächlich klassische Inszenierungen von Auszügen aus Romanen und Erzählungen. Die Schnittmuster und Kreuzworträtsel werden in Anlehnung an ein Artaud’sches Mysterientheater umgesetzt. Das Stück ist in erster Linie für die Aufführung auf Klein- und Kleinstbühnen, in Cafés und Kellerstudios konzipiert.

«Ich freue mich, Dich hier angetroffen zu haben – aber ich freue mich nur, weil ich jetzt wieder mal die beste Gelegenheit habe, einen Menschen von der absoluten Lächerlichkeit des Daseins überzeugen zu können. Nu rede Du, sonst komme ich zu kurz bei der Torte.»
(Die Mumie in Paul Scheerbart: Die Nussbaumtorte)

>> Auszug

Professor Kien (steht auf der Leiter): «[…] Überschätze nicht die Stärke des Feindes, mein Volk! Zwischen deinen Lettern wirst du ihn totpressen, deine Zeilen seien die Keulen, die auf sein Haupt niederprasseln, deine Buchstaben die Bleigewichte, die sich an seine Füße hängen, deine Deckel die Panzer, die dich vor ihm schützen! Tausend Listen hast du, ihn zu verlocken, tausend Netze ihn zu verstricken, tausend Blitze, ihn zu zerschmettern, du, mein Volk, die Kraft, die Größe, die Weisheit der Jahrtausende!» (steigt von der Leiter herab) «Für Klagelieder haben wir jetzt keine Zeit, sonst dürfen wir sie bald an den Wassern Babylons singen…» (steigt auf die Leiter) «Es freut mich, daß ihr rechtzeitig zur Vernunft gekommen seid. Mit Begeisterung allein führt man keine Kriege. Eurer Zustimmung entnehme ich, daß ihr unter meiner Führung zu kämpfen gewillt seid.» (Karl Valentin betritt die Bühne. Er lehnt sich an die Leiter und lauscht den Worten Kiens) «Ich erkläre:
1. Wir befinden uns im Kriegszustand.
2. Verräter verfallen der Feme.
3. Das Kommando ist zentralisiert. Ich bin oberster Kriegsherr, einziger Führer und Offizier.
4. Sämtliche Unterschiede, die sich aus Vergangenheit, Ansehen, Größe und Wert der Kriegsteilnehmer ergeben, sind aufgehoben. Die Demokratisierung des Heeres äußert sich praktisch darin, daß von heute ab jeder einzelne Band mit dem Rücken zur Wand steht. Diese Maßnahme steigert unser Zusammengehörigkeitsgefühl. Sie entzieht dem räuberischen, aber ungebildeten Feind seine Maßstäbe.
5. Als Parole gebe ich den Namen Kung aus.» (steigt von der Leiter herab, tritt dabei auf Valentins Hand)
Karl Valentin: «Au! Au! Runter! Du stehst auf… Du stehst auf meiner…»
Professor Kien: «Ja, auf der Leiter steh ich, ich weiß schon»
Karl Valentin: «Nein, nicht auf der Leiter! Auf der Ding stehst…»
Professor Kien: «Ah, auf der Sprosse?»
Karl Valentin: «Nein, auch nicht auf der Sprosse,…»
Professor Kien: «Ja, wo steh ich denn dann?»
Karl Valentin: «Auf der Ding stehst du… Mir fällt der Name nicht ein… (faßt sich mit der anderen Hand an die Stirn, dabei fällt’s ihm wieder ein, – er versetzt Kien einen Klaps aufs Hinterteil) Auf meiner Hand!»

(Elias Canetti: Die Blendung / Karl Valentin: Der reparierte Scheinwerfer)

>> «Zitatnost – ein Fußnotendrama» (2004)

Texte von Herbert Achternbusch, Woody Allen, Niccolò Ammaniti, Antonin Artaud, Blixa Bargeld, Alessandro Baricco, Walter Benjamin, Georg Büchner, Elias Canetti, Daniil Charms, Fjodor Dostojevskij, Nikolaj Gogol’, Olga u. Adolf Hess, Horaz, Thomas Mann, Javier Marias, Chiko u. Groucho Marx, Pablo Neruda, Paul Scheerbart, Vladimir Schinkarjov, Jean-Paul Sartre, Arkadij u. Boris Strugackij, George Tabori, Yamamoto Tsunetomo, Karl Valentin, Robert Walser, Gao Xingyian sowie anonyme Kreuzworträtsel, Kochrezepte, Schnittmuster und Leserbriefe.
Auswahl, Inszenierung, Spiel: Boris Randzio und Felix Strasser.
Länge: 90 Minuten [ohne Pause].

Boris Randzio (geb. 1981 in Salzburg)
Mitwirkung in 20 Inszenierungen der Theater AG des Berliner Goethe-Gymnasiums. Privater Schauspielunterricht bei Adolfo Assor (Garntheater Berlin). Bühnentanzdiplom an der Staatlichen Hochschule für Musik und darstellende Kunst Mannheim. Engagement beim Ballett des Theater Chemnitz. Eigenchoreographie «Im Abendrot» (2004).

Felix Strasser (geb. 1982 in Klagenfurt)
Teilnahme an Literatur- und Drehbuchwettbewerben, Finalist im ORF-Wettbewerb «Drehbuch 2000». Dreisemestriger Schauspielkurs an der Universität Klagenfurt. Co-Regie und Darsteller in den Kurzfilmen «Dickicht» (2002) und «Evig pint» (2004). Mitglied der Theatergruppe «DIBRE» (http://groups.msn.com/dibre).

Termine

am So, 02.06.2024 um 17:00

EXTRA DRY – Ein musikalisch-kulinarisches Ereignis | Villa For Forest

Villa For Forest, Viktringer Ring 21, Klagenfurt EXTRA DRY – Musik
verbindet europäische Musiktradition mit der Kunst der Improvisation.
– ist Vielstimmigkeit ohne Sentiment – armenisch, kärntnerisch, slowenisch, notiert und imaginiert – da Capo al Coda.
– macht Noten mit Köpfen und spielt Musik mit Zwischentönen.
Spontaneität, Spielwitz, Emotionalität und Virtuosität sind die musikalischen Markenzeichen des Trios.
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EXTRA DRY – Kulinarik
Armenische Familie Asatrian (Schaschlik, Beilagen, Süßes)
Eintritt: 50,– (Musik | Getränk | Grill-Buffet)
Kartenreservierungen & Onlinekauf:
office@innenhofkultur.at | www.innenhofkultur.at | Telefon | SMS