Gefängnisalltag: Eine Innensicht von außen

Gefängnisalltag: Eine Innensicht von außen

GUDRUN SPRINGER, 13. Juli 2013, 12:00

Viel wird derzeit über Haftumstände gesprochen, Roland Räven hat eine Innensicht darauf: Gut 20 Jahre bestimmten Drogen, Beschaffungsdelikte und Knast seinen Alltag. Den Absprung in ein Leben ohne Gesetzesbrüche schaffte er in der Schweiz. 

Zwei Jahrzehnte krimineller Vergangenheit lassen sich nicht einfach aus dem Strafregister löschen. So wie sich eine Tätowierung nicht abwaschen lässt. Roland Räven darf wegen seiner Vergangenheit in Bregenz kein Gewerbe anmelden, derzeit lebt er mangels Jobs von Notstandshilfe. Er würde gern Schmuck aus exotischen Nüssen am Bodensee verkaufen. Man lässt ihn nicht, also entschied sich der 57­Jährige für die Flucht nach vorne: seine Geschichte zu erzählen. „In den letzten Tagen haben sich so viele Justizexperten zu Wort gemeldet, aber Betroffene werden nicht angehört“, meint der gebürtige Salzburger.

Gute Erfahrungen in der Schweiz

Österreich brauche modernere Haftanstalten. „Der Strafvollzug kann nicht Defizite ausbügeln, dafür ist er nicht da“, sagt Räven, „aber er muss Standards bieten, damit so etwas wie Gruppenvergewaltigungen nicht passieren.“ Man müsse nur in die Schweiz schauen. Räven hat dort, inhaftiert in einer Einzelzelle, gute Erfahrungen gemacht. Das Land wird in der aktuellen Debatte oft genannt, weil dort eine deutlich geringere Zahl Jugendlicher in U­Haft kommt. Das Land hat auch eine geringere Rückfallquote: Sie liegt in der Schweiz (innerhalb von drei Jahren) bei einem Viertel. In Österreich (innerhalb von vier Jahren) bei 38 Prozent.

Arbeitsplatz Dealer­Drehscheibe

Vor ziemlich genau 40 Jahren verstieß Räven das erste Mal gegen ein Gesetz. Er knackte das Schloss zur Vorratskammer des Jugendheims. „Es waren Bubenstreiche“, sagt Räven heute, „aber es war schon strafbar.“ Auf den Einbruch folgte eine Anzeige und der Rausschmiss aus dem Jugend­ und Studentenhaus in der Hinterbrühl in Niederösterreich. Roland floh. Der zurückgezogene Einzelgänger hatte sich dort nie wohlgefühlt. Wie schon bei seiner vorigen Station: dem SOS Kinderdorf. „Das war schon alles okay dort damals, aber für mich war es nichts.“ Roland war Halbwaise, der Vater alkoholkrank. Ihn hielt nichts. Er reiste nach Schweden, Dänemark, Frankreich. In den Niederlanden blieb er hängen, fand einen Job in einem Amsterdamer Hotel. „Die Stadt war multikulturell, eine

Freakstadt, toleranter.“ Und voll mit Drogen. „Ich war der Blauäugige vom Land.“ Sein Arbeitsplatz war eine Dealer­Drehscheibe. Nach einem Jahr zirka, sagt Räven, habe er das begriffen. Da hing er schon an der Nadel. Ein Kollege hatte ihn auf das Heroin gebracht. Die Sucht sollte sein ständiger Begleiter werden.

„Selbstmedikation“ Heroin

„Es war meine Selbstmedikation“, sagt Räven zurückblickend. Immer sei er auf der Suche gewesen, nicht

komplett. „So sehe ich das halt im Nachhinein.“ Den Tod der der kranken Mutter, als Räven dreieinhalb war, habe

er nie richtig verarbeitet. Der erste Schuss habe ihm ein Gefühl der Geborgenheit gegeben, „das Gefühl, gut

aufgehoben zu sein“. Roland Räven spricht ruhig und gefasst, manchmal macht er Nachdenkpausen, wird still und

durchbohrt mit seinen blauen Augen die Luft. „Man wünscht sich immer das eine Feeling zurück, aber das erreicht

man nicht mehr“, sagt er.

Zuerst war er nur Konsument, dann wurde er Teil des Systems im Hotel, wo Lieferanten und Abholer aus aller

Welt mit Stoff ein­ und auscheckten. 1977 setzte die Polizei dem ein Ende, Räven ging nach Thailand, reiste aber

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mehrmals nach Europa. „Damals war ich abhängiger Selbstversorger.“ Ein Jahr später wurde er verhaftet. Mit

Stoff für zwei bis drei Monate. Räven landete hinter Gittern in Wien. Seine Zelle war ein 16­Mann­Haftraum. „Ich

war damals 21 Jahre alt, ich habe damals alles einfach so akzeptiert, wie es war“, sagt Räven. Er las viel, vor

allem in der JVA Krems­Stein, der nächsten Station nach acht Monaten U­Haft. „Da war damals auch Jack

Unterweger“, erzählt er.

Komprimierter Mikrokosmos

In seiner Nachbarzelle sei es einmal zu einem sexuellen Übergriff mit einem Besenstiel gekommen. „Eine

Alkoholgeschichte“, sagt Räven. Den Fusel hätten sich Insassen selbst gebrannt. Selbstverstümmelungen,

Vergewaltigungen, Messerstechereien, Raufhandlungen habe es dauernd gegeben. Gewalttätige Gruppierungen

hätten existiert, am dominantesten sei das Wiener Rotlichtmilieu gewesen. „Der Knast ist ein sehr komprimierter

Mikrokosmos des Lebens heraußen“, sagt Räven. „Mein Glück war mein Mithäftling, ein älterer Herr, der mit 53

Jahren das erste Mal straffällig geworden ist: Versicherungsbetrug. Er war ganz normal.“

Räven blieb verschont. „Ich habe nur mit dem Kiffen angefangen“, sagt er und lacht. Nach zweieinhalb Jahren

wieder auf freiem Fuß, „habe ich sofort mit dem Heroin weitergemacht“. Die alten Kontakte verhalfen ihm zu Geld ­

und Stoff. Doch damit nicht genug. „Da kamen die Amphetamine dazu, massenhaft.“ Amphetamine wie etwa

Speed putschen auf, Heroin holt herunter ­ „Du triffst dich irgendwo in der Mitte.“

Sieg der Sucht

Es war eine wilde Zeit in Rävens Leben: „Da war ich dann richtig kriminell, von der Einstellung her.“ Für Geld für

Drogen verübte er Einbrüche, stahl Antiquitäten, „aber ich war nie gewalttätig“. 1984 klicken erneut die

Handschellen wegen „Vergehen gegen das Betäubungsmittelgesetz“. Fünf Jahre und sechs Monate Haft lautete

das Urteil, diesmal saß Räven in Lübeck in Deutschland ein. Es war die Zeit der RAF­Gefangenen, „da wurde ich

politisiert“, sagt er. Sartre habe er gelesen und die Taz. „Ich hab gedacht, ich durchschau die Dinge, hab im Knast

gezielt Sachen beschädigt, es war eine Form des Widerstands gegen das Establishment“, sagt Räven. „Heute sag

ich: Das war infantil.“

Zum Kiffen habe es auch gegeben, Härteres weniger. Ein Insasse habe ihm zu seinem Haftende ein Viertelkilo

Heroin geschenkt, eingearbeitet in Schuhe. Damit ging er nach der Entlassung nach Österreich. „Ich hätte damals

die Chance auf ein bürgerliches Leben gehabt, hatte eine ganz normale Freundin“, sagt Räven. Die Sucht siegte.

Kokain kam noch dazu. Zwei Jahre später klickten wieder die Handschellen. Haft in Innsbruck, wieder raus,

Verhaftung in Bozen, Haft in Garsten, wieder raus, Verhaftung in der Schweiz, Haft in Zürich­Pöschwies, einer

1995 neu eröffneten Haftanstalt.

Ende des Strafregisterauszugs

„Da gab es nur Einzelzellen“, sagt Räven. „Ich konnte meine Zelle zusperren, wenn ich wollte.“ Die elektronische

Überwachung sei eng gewesen. Und die Beamten hätten es „irgendwie geschafft, dass unter den Insassen keine

Hierarchien entstehen“. Diesmal sei er nach dem kalten Entzug sauber geblieben. „Ich habe Zeit gehabt

nachzudenken. Und das genützt“, sagt Räven. Er habe auch gearbeitet. Und wieder viel gelesen. Michel Foucault

findet er gut.

Im Frühling 2000 wurde Räven entlassen. 2003 musste er eine Geldstrafe zahlen. Dann endet sein

Strafregisterauszug. 

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